Reitlust statt Winterfrust - Teil 2

Wie im vorletzten Beitrag angekündigt, haben wir hier für euch die besten Abwechslungsstrategien für kalte Wintertage zusammen getragen, damit bei euch und euren Pferden garantiert keine Langeweile auf kommt.

I. Training mit Stangen und Cavaletti

Das Vorurteil „Stangen und Cavaletti seien nur etwas für Springreiter“ ist schon längst überholt. Gerade in der Dressurarbeit werden diese Elemente immer wieder gerne eingebaut und erfüllen durchaus vielseitige Zwecke. Eine der bekannten Größen im Reitsport und Pionierin innerhalb dieser Arbeit ist wohl Ingrid Klimke. Für sie bildet die Stangenarbeit einen wertvollen Grundstein zur Ausbildung des jungen Reitpferdes und auch zur Weiterbildung des schon erwachsenen Pferdes. Des Ausbildung des Pferdes sollte immer das Ziel einer natürlichen Gymnastizierung verfolgen – die Kraft der Muskeln sollte verstärkt und die Bänder und Gelenke geschmeidiger werden. Für eine gute und gleichmäßige Entwicklung der Muskulatur sind bestimmte Bewegungsreize notwendig, die eben durch diese Arbeit ausgelöst werden. Die Pferde werden durch die Stangen und Cavaletti, die unterschiedlichen Anordnungen und Höhen des Aufbaus der selbigen zu kontrollierten und beeinflussten Bewegungsabläufen veranlasst, die wiederum bestimmte Gelenke und Muskelpartien gezielt ansprechen. Auch körperliche Defizite des Pferdes oder schlecht gerittene Pferde können durch diese Arbeit einen entsprechenden Ausgleich finden. So werden bei richtiger Dosierung und korrektem Training die Muskeln gelockert, Versteifungen entkrampft und der Rücken aufgewölbt. Auch für den Reiter lassen sich einige sehr wichtige Vorteile aus der Arbeit mit Stangen und Cavaletti ziehen: Zum einen wird der Sitz des Reiters geschmeidiger und die Mittelpositur gefestigt, zum anderem wird auch die Verbindung von Hand, Zügel und Maul deutlich sensibilisiert und verfeinert.

 

Hinweis: Der Aufbau muss natürlich immer den natürlichen Bewegungsabläufen angepasst werden und darf die natürliche Mobilität des Pferdes nicht überschreiten. Lieber klein anfangen und mit der Zeit die Anforderungen steigern.

 

II. Aufbau und Trainingsbeginn

Zu Beginn der Arbeit mit Stangen und Cavaletti sollten zunächst einzelne Hindernisse im Schritt und Trab überwunden werden. Der Galopp wird erst im späteren Training mit eingebaut, wenn das Pferd gut und sensibel an den Hilfen steht und die von ihm geforderten Aufgaben gut genug kennt. Beginnend bei einer Stange bzw. einem Cavaletti, können die Anforderungen stetig steigen – allerdings nur in dem Maße, dass es für Pferd und Reiter einen positiven Effekt erzielt. Bei diesem Training geht es nicht etwa um die Dauer oder die Höhe und Anzahl der Cavaletti, sondern um den Aufbau einer kräftigen und vor allem lockeren Muskulatur.

Der Abstand der Cavaletti und Stangen zu einander ist natürlich individuell für jedes Pferd anzupassen. So haben Ponys einen deutlich kürzeren Trab als Warmblüter und auch innerhalb der Gattungen ergeben sich enorme Unterschiede in den Bewegungsabläufen. Grundsätzlich wird der Abstand immer von Mittelpunkt zu Mittelpunkt gemessen, dies ist gerade bei der Arbeit auf gebogener Linie besonders wichtig.

- Schritt:

Im Schritt lassen sich die ersten Cavaletti und Stangen meist am einfachsten überwinden und anreiten. Gerade das korrekte Anreiten ist der Schlüssel zum Erfolg, da der Reiter durch diese Arbeit sein Auge schulen kann, was letztlich nicht nur Vorteile im Parcours mit sich bringt, sondern auch im Dressursattel. So können die Hindernisse gerne auch auf dem zweiten oder dritten Hufschlag sowie auf der Mittellinie aufgebaut werden. Somit muss der Reiter sein Pferd auch ohne die helfende Bande mit den Hilfen einrahmen.  Gerade bei den ersten Trainingseinheiten sollte dem Pferd möglichst viel Zügel gegeben werden, damit es sich die neue Aufgabe auch wirklich ‚frei genug‘ anschauen kann, um erst mal die Balance zu finden.

- Trab:

Zu Beginn der Arbeit im Trab sollten die Hindernisse auf gerader Bahn aufgebaut werden. Hierbei stehen vor allem zunächst der Reiter und der Reitersitz im Vordergrund. Die Stangen- und Cavalettiarbeit bietet nur positive Vorteile, wenn sie korrekt ausgeführt wird und das Pferd wirklich mit losgelassenem Rücken über die Hindernisse tritt. Damit die Muskeln sich lockern und sich der Rücken aufwölbt, muss in erster Linie aber auch der Reiter vernünftig mitschwingen, das Pferd nicht einengen und sich in den neuen Bewegungsablauf einfühlen. Gerade zu Beginn der Arbeit neigen viele Reiter dazu, sich mit den Beinen fest zu klammern und zu versteifen.

- Galopp:

Die Cavalettiarbeit im Galopp ist letztlich nichts anderes als das Springen über sehr niedrige Hindernisse. Bevor das Training im Galopp begonnen wird, sollten die Grundlagen, wie der korrekte Sitz und die korrekte Hilfengebung gesichert sein. Das Training im Galopp ist besonders für das ungeübte Pferd sehr anstrengend, weshalb die Einheiten lieber kurz gehalten werden sollten mit ausreichenden Schritt-Pausen.

 

III. Übungen

- Korrektes Anreiten

Sobald die Hindernisse nicht mehr auf dem Hufschlag liegen und das Pferd die Bande nicht mehr als ‚Hilfe‘ hat, muss der Reiter vermehrt auf seinen Sitz achten, um das Pferd mittig über die Hindernisse zu lenken und somit korrekt einzurahmen.

- Tritte verlängern

Bei dieser Übung werden die Abstände der Hindernisse um ca. 10 cm - 20 cm vergrößert, um einen größeren Raumgriff des Pferdes zu erzielen. Hierbei dürfen die Hindernisse allerdings nur sehr niedrig aufgebaut sein.

- Übergänge

Hierbei werden die Hindernisse auf einer großen Zirkellinie jeweils auf der linken und rechten Seite so aufgebaut, dass der Abstand der Hindernisse auf der linken Zirkellinie dem Schritt entspricht und der Aufbau auf der rechten Zirkellinie dem Trab. Entweder bleibt der Reiter auf der Zirkellinie und wechselt die Gangarten kurz vor den neuen Hindernissen oder aber er wechselt durch den Zirkel, was die Konzentration von Reiter und Pferd zusätzlich fordert und eine Schulung der gezielten Hilfengebung bewirkt. Auch die Tempiunterschiede innerhalb einer Gangart können durch die Stangen und Cavaletti gefördert werden, indem sich normale Trababstände mit denen vom versammelten oder verstärkten Trab abwechseln. Auch der Aufbau als Schlangenlinie durch die ganze Bahn eignet sich besonders gut, um die weichen Übergänge und Hilfen des Reiters zu fördern.

- Losgelassener Reitersitz

Zunächst sollte der Reiter versuchen, die Hindernisse im leichten Sitz zu überwinden. Das fördert das Rhythmusgefühl des neuen Bewegungsablaufes und gleichzeitig wird das Pferd nicht gestört.

- Versammlung

Der Abstand der einzelnen Hindernisse wird, je nach Pferd, im Trab um ca. 20 cm verkürzt und gleichzeitig auf ca. 30 cm erhöht. Reiter und Pferd müssen die Hindernisse auf gerader Linie anreiten, wobei das Pferd gut an den Hilfen steht und der Reiter durch leichtes annehmen der Zügel die Tritte verkürzt und das Pferd zu mehr Untertreten auffordert. Wichtig bei dieser Übung ist der ausbalancierte und losgelassene Sitz des Reiters, um die Taktfolge des Trabes nicht zu stören. Im Schritt wird der Abstand zunächst um 10 cm verkürzt.

- Taktreinheit

Die Arbeit mit Stangen und Cavaletti zeichnet sich ins besondere auch durch den positiven Effekt des sauberen Taktes aus. Gerade auch junge Pferde tun sich in der Grundausbildung besonders mit dem Gleichmaß der Schritte schwer. Der Takt bildet die Grundlage eines jeden Trainings mit Pferd, weshalb er in der Ausbildungsskala auch den ersten Punkt besetzt. Durch die Unterstützung der Stangen und Cavaletti wird dem Pferd geholfen, das Gleichmaß seiner Schritte und das Gleichmaß des Abfußens zu finden.

- Durchsprung

Gerade der Durchsprung geht bei vielen Pferden durch einen falsch verkürzten Galopp verloren, wodurch letztlich auf der Takt und die korrekte Fußabfolge des Galopps gestört wird. Die Cavalettiarbeit eignet sich dahingehend besonders durch ein fleißigeres Durchspringen, eine aktivere Hinterhand und eine schöne Bergauf-Tendenz.

- Verkürzen und verlängern

Die Cavaletti können auch gut zum Verbessern des Reiterauges mit in das Training aufgenommen werden. So können einzelne Hindernisse auf der Mittellinie mit mehr oder weniger Galoppsprüngen überwunden werden.